Evolutionsphasen
Der evolutionäre Arbeitsablauf der KI-gestützten Fachverfahrensmodernisierung lässt sich in folgende sechs Schlüsselphasen unterteilen, die jeweils spezifische Ziele, Aktivitäten und Ergebnisse umfassen:
- Phase 1: Grundlagenforschung und Definition (Fundamente)
- Phase 2: Analyse der Legacy-Applikation (Verständnis der Quelle)
- Phase 3: Entwicklung agentenbasierter Ansätze (Implementierung der Mechanismen)
- Phase 4: Kontext-Infrastruktur & Support-Tools
- Phase 5: Testen & Validierung
- Phase 6: Skalierung, Industrialisierung & adaptive Weiterentwicklung (Ausblick)
Phase 1: Grundlagenforschung und Definition
In der initialen Phase lag der Fokus auf der inhaltlichen und technischen Rahmensetzung des Projekts sowie auf der Klärung der strategischen Zielrichtung der Modernisierung. Zentrale Aktivitäten waren:
- Definition des Modernisierungsprozesses und der übergeordneten Ziele.
- Durchführung von Research zu bestehenden Migrationsstrategien und -ansätzen.
- Grundlagenrecherche zu Multi-Agenten-Systemen und agentenbasierten Architekturen.
- Ausarbeitung und Definition einer Zielarchitektur, einschließlich Tech-Stack, Systemlandschaft und Integrationskonzept.
- Erstellung eines Boilerplate-Repositories als Referenz für Projektstruktur, Entwicklungsrichtlinien und Best Practices der Zielapplikation.
Phase 2: Analyse der Legacy-Applikation
Darauf aufbauend erfolgte eine tiefgehende Analyse der zu migrierenden Legacy-Systeme, insbesondere von Oracle-Forms- und MS-Excel-basierten Applikationen:
- Entscheidung zur prototypischen Migration einer Oracle-Forms-Applikation sowie einer Excel-Applikation (mit und ohne VBA-Makros).
- Detaillierte Analyse der bereitgestellten Beispielapplikationen (Oracle Forms, Excel, Word).
- Implementierung der Installation, Extraktion und Konvertierung von Oracle-Forms-Artefakten.
- Durchführung einer umfassenden Strukturanalyse von Oracle-Forms-Fachverfahren und Excel-Anwendungen.
- Definition der Migrationsreihenfolge für Oracle Forms auf Basis interner Abhängigkeiten.
- Identifikation und Einsatz eines Skripts zur Ermittlung externer Abhängigkeiten in Excel-VBA-Applikationen.
Phase 3: Entwicklung agentenbasierter Ansätze
Ein zentrales Element der Evolution war die Entwicklung und der Vergleich zweier fortgeschrittener, KI-gestützter Migrationsansätze.
A. Multi-Agenten-System-(MAS)-Ansatz
- Konzeption und Ausarbeitung eines MAS-basierten Migrationsansatzes.
- Entwicklung eines eigenen Multi-Agenten-Systems auf Basis von LlamaIndex Agent Workflows.
- Erweiterung des Systems um einen expliziten Context State zur Zustands- und Wissensverwaltung.
- Anpassung des MAS-Ansatzes auf die Migration von Excel-Applikationen.
- Entwicklung spezialisierter Tools sowie Excel-spezifisches Prompt Engineering für den MAS-Einsatz.
B. Agentic-Coding-Ansatz
- Konzeption und Ausarbeitung eines Agentic-Coding-basierten Migrationsansatzes.
- Entwicklung eines Demos bzw. Prototyps mit einem Agentic Coding System (z. B. OpenCode.AI).
- Definition von Pre- und Post-Processing-Komponenten, u. a. für Infrastruktur-Checks, Test-Use-Case-Generierung und Migrationsausführung.
- Entwurf einer vollständigen Migrationspipeline, aus der das eigentliche Migrations-Tool hervorging.
- Iteratives Testen, Optimieren und Verfeinern des Migrations-Tools sowie des zugehörigen User-Workflows.
Phase 4: Kontext-Infrastruktur und Support-Tools
Mit zunehmender Komplexität der Agentensysteme wurde der Aufbau einer tragfähigen Kontext- und Tooling-Infrastruktur essenziell:
- Evaluation geeigneter Methoden zur Extraktion und Transformation relevanter Excel-Artefakte.
- Aufbau modularer FunctionTools für Daten-Retrieval und strukturierte Artefaktextraktion.
- Implementierung von n8n-Workflows zur automatisierten Generierung von Dokumentation (Frontend- und API-Dokumentation) für Oracle Forms und Excel.
- Vertiefende Arbeiten zum Context Engineering, einschließlich Short- und Long-Term Memory, automatisierter API-Dokumentation und GraphRAG.
- Implementierung von Kontext-Tools und GraphRAG-Komponenten (inkl. Parser und MCP) für Oracle Forms und MS Excel, integriert in das MAS.
- Ausarbeitung einer sicheren Ausführungsumgebung für Agentic-Coding-Systeme, einschließlich konsequenter Containerisierung.
Phase 5: Testen und Validierung
Die abschließende Phase diente der systematischen Überprüfung, Absicherung und Bewertung der Ergebnisse und ist entscheidend für die Qualität der migrierten Applikationen:
- Evaluierung und Testen agentenbasierter Open-Source-Systeme.
- Vergleichendes Testen verschiedener Agentic-Coding-Systeme (z. B. OpenCode.AI, Claude Code).
- Entwicklung eines Test-Execution-FunctionTools für einen dedizierten Tester-Agenten.
- Durchführung von Ergebnisvergleichen über mehrere Iterationen hinweg für MAS- und Agentic-Coding-Ansätze.
- Validierung der generierten Applikationen hinsichtlich fachlicher Korrektheit, technischer Qualität und Stabilität.
- Automatisierte Test-Use-Case-Generierung.
- Durchführung von End-to-End-(E2E)-Tests mit Playwright MCP.
- Analyse und Test spezialisierter Agentenfähigkeiten, u. a. Agent Skills, einschließlich des Document-Skills für XLSX-Dateien.
Phase 6: Skalierung, Industrialisierung und adaptive Weiterentwicklung
In einer zukünftigen Evolutionsstufe kann sich der beschriebene Ansatz von einem forschungs- und prototypengetriebenen System hin zu einer skalierbaren, produktiven Plattform weiterentwickeln. Mögliche Entwicklungslinien sind:
- Plattformisierung des Migrations-Tools: Transformation des Migrations-Tools zu einer modularen, mandantenfähigen Plattform mit standardisierten Schnittstellen (APIs, MCP), die verschiedene Legacy-Technologien und Zielarchitekturen unterstützt.
- Selbstoptimierende Agentensysteme: Einführung von Feedback-Loops, Telemetrie und automatischem Prompt- bzw. Policy-Tuning, sodass Agenten aus vergangenen Migrationen lernen und ihre Strategien kontinuierlich verbessern.
- Domänenspezifische Agenten und Wissensmodelle: Aufbau wiederverwendbarer, domänenspezifischer Agenten (z. B. für Statistik, Verwaltung, Fachverfahren), angereichert durch kuratierte GraphRAG-Wissensbasen.
- Integration von Human-in-the-Loop (HITL): Systematische Einbindung menschlicher Experten an kritischen Entscheidungspunkten (z. B. Architekturentscheidungen, fachliche Validierung), unterstützt durch erklärbare Agenten-Entscheidungen. Siehe auch Human-in-the-Loop.
- Governance, Compliance und Nachvollziehbarkeit: Erweiterung um Audit-Trails, Entscheidungsprotokolle und Compliance-Checks (z. B. Datenschutz, Lizenzierung, BSI-Anforderungen) als integralen Bestandteil der Migrationspipeline.
- Langfristige Wartung und Co-Evolution der Zielsysteme: Nutzung der Agenten nicht nur für die Migration, sondern auch für kontinuierliche Modernisierung, Refactoring, Testgenerierung und technische Schuldenreduktion über den gesamten Lebenszyklus der Zielapplikationen hinweg.